Offener Brief an den "Welt"-Politredakteur zu: "Israel-Feinde zu Gast bei der evangelischen Kirche", Attac-Netzwerk, 22.09.2018

http://www.attac-netzwerk.de/ag-globalisierung-und-krieg/veranstaltungen/kongresseseminare/sm-2018-09-22-welt





22. SEPTEMBER 2018 - SABINE MATTHES:

Offener Brief an  Martin Niewendick, "WELT"-Politikredakteur,  zu seinem am 21.9.2018 veröffentlichten Artikel "Israel-Feinde zu Gast bei der evangelischen Kirche"

Sehr geehrter Herr Niewendick,

für wie dumm halten Sie Ihre Leser, dass Sie uns die israelkritische BDS-Bewegung als "antisemitisch" verkaufen wollen - wie in Ihrem obigen Artikel zur Konferenz in Bad Boll? Wollen Sie tatsächlich Desmond Tutu, Angela Davis, Alice Walker, Stéphane Hessel, StephenHawking, Ken Loach, mehr als 1200 Künstlern, sieben Millionen britischen Studenten und Millionen anderen jüdischen wie nicht-jüdischen BDS-Unterstützern weltweit "Antisemitismus" unterstellen!? Und das, obwohl die BDS-Bewegung sich selbst dezidiert GEGEN Antisemitismus ausspricht!? Wie man klar auf deren website sehen kann. Wie kommen Sie dazu, Gegenteiliges zu behaupten und Ihre Leser so dreist und offensichtlich zu belügen? Einige Referenten in Bad Boll sind jüdische Israelis, die ihr Land sicher besser kennen als Sie - und die sollen sich ausgerechnet von einem deutschen Journalisten "Antisemitismus" und "Israel-Feindschaft" unterstellen lassen!? Ist das nicht etwas vermessen? Das SZ-Magazin hatte kürzlich ein vorbildliches Interview mit Roger Waters, in dem pro und contra BDS zu Wort kamen: SO sieht sachlicher Journalismus aus!!! Sie aber halten Ihre Leser für unmündig, sich selbst eine Meinung zu bilden - dabei ist Ihr journalistischer Auftrag, uns OBJEKTIV mit FAKTEN zu INFORMIEREN, und Ihre persönliche Meinung für den Stammtisch zurückzuhalten.

Ist es nur Ihre persönliche Ansicht, die BDS-Kampagne sei "antisemitisch" (was Ihr gutes Recht ist), oder müssen alle Welt-Autoren diese Definition übernehmen (was der Meinungs- und Pressefreiheit widerspräche)? Eine Zeitung, die unisono ein Engagement für Menschenrechte kriminalisiert und delegitimiert, und Meinungs- und Pressefreiheit zuwiderhandelt, ist höchst unglaubwürdig. Man kann nicht die Türkei für etwas rügen, was man selbst praktiziert. Ich bitte um eine Stellungnahme.

Die Deutschen haben den Holocaust begangen, nicht die Palästinenser.

Vertrieben, enteignet und entrechtet wurden aber die Palästinenser. Sehen Sie sich die Nakba-Ausstellung in Bad Boll an, oder besser: besuchen Sie die palästinensischen Flüchtlingslager in Libanon, Syrien, Jordanien, Gazastreifen, Westbank, um sich selbst ein Bild zu machen.

Mit freundlichen Grüßen,
Sabine Matthes