"Heimatsuche im Geist des Judentums. Yakov Rabkin beleuchtet das Verhältnis von Zionismus und Orthodoxie“, im Gespräch mit Sabine Matthes, Association Yeshurun, Thora against Nationaljudaism (Zionism), 26.11.2012

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JESCHURUN
Tauro gegen Nationaljudentum (Zionismus)
26-11-2012
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· "4. Juli 2005 02:03, NZZ Online

Heimatsuche im Geist des Judentums

Yakov Rabkin beleuchtet das Verhältnis von Zionismus und Orthodoxie

Zu den jüdischen Intellektuellen, die der Politik des Staates Israex kritisch gegenüberstehen, gehört auch der in Kanada lehrende Historiker Yakov M.Rabkin. Er beruft sich dabei nicht zuletzt auf jüdisch-orthodoxe Positionen, die er in einer unlängst erschienenen Studie in ihrem geschichtlichen Horizont dargestellt hat. Sabine Matthes führte in München ein Gespräch mit dem Wissenschafter.

In der Debatte um den Nahostkonflikt kommt es öfters zu einer annähernden Gleichsetzung von Judentum, Zionismus und dem Staat Israxl. Dabei wird Kritik an der Politik Israexs auf jüdischer und israelischer Seite häufig als Ausdruck des Antisemitismus verstanden; umgekehrt droht in Europa das orthodoxe Judentum zunehmend mit der Haltung jener militant nationalreligiösen Siedler identifiziert zu werden, die sich in Cisjordanien seit 1967 als Vorposten israelischer Gebietsansprüche niedergelassen haben. Dabei geht vergessen, dass die radikalste Ablehnung Israxls gerade auch von strenggläubigen orthodoxen Juden kommt, die ihren traditionellen Antizionismus mit der Thora begründen. Der kanadische Historiker Yakov M.Rabkin, Professor für jüdische Geschichte an der Universität Montreal, leistet mit seinem jüngsten Buch, «Au nom de la Thorah. Une histoire de l'opposition juive au sionisme» (Quebec 2004), einen wesentlichen Beitrag zur Unterscheidung zwischen den verschiedenen Konzepten Judentum und Zionismus, jüdischer und christlicher Zionismus, jüdischer und christlicher Antizionismus.

Vom orthodoxen Judentum entwirft Rabkin ein wenig bekanntes, faszinierend provokatives Gegenbild. Die streng nach den Geboten der Thora lebenden Mitglieder der Neturei Karta zum Beispiel wünschen die Auflösung des israelischen Staates, um, ebenso wie in anderen Ländern auch, gemeinsam mit den einheimischen Arabern unter palästinensischer Regierung zu leben. Rabkin selbst vertritt die Vision eines gemeinsamen jüdisch-arabischen Staates - mit dem pointierten Argument, dass Israel, einst als sicherer Hafen für die Juden gegründet, heute «der einzige Ort in der Welt ist, wo ein Jude einzig deswegen getötet werden kann, weil er ein Jude ist».

Gegen die Begriffsverwirrung

Was hat Sie motiviert, dieses Buch zu schreiben?

Es gab mehrere Beweggründe. Als Historiker fühle ich, dass das allgemeine Verständnis der Bedeutung von Zionismus in der judaistischen Perspektive fehlt. Als Intellektueller fand ich es unredlich, Juden, Israex und Zionismus in einer großen Verwirrung miteinander zu verschmelzen. Als Mensch letztlich halte ich es für wichtig, entscheidende Unterschiede zwischen Juden und Zionisten zu erklären - zu den Letzteren zählen heutzutage mehr Christen als Juden -, zwischen Judentum und Zionismus, um die Ursachen der antijüdischen Gewalt auszumerzen, die in den letzten Jahren aufkam. Der Konflikt zwischen Israeli und Palästinensern - wie akut und tragisch auch immer er ist - sollte nicht in andere Länder exportiert werden, wo Juden und Muslime in Frieden und Freundschaft leben können. Sie haben letztlich viel mehr Gemeinsamkeiten als trennende Unterschiede.

Wie sind die Reaktionen auf Ihr Buch?

Zum größten Teil waren die Reaktionen enthusiastisch. Ich bin von den großen internationalen Zeitungen interviewt worden, habe öffentliche Vorträge gehalten, und Dutzende Leser dankten mir für die Klärung der Unterschiede zwischen Judentum und Zionismus. Einige Diaspora-Zionisten reagierten mit Feindseligkeit, ohne sich wirklich auf eine Debatte über den Inhalt meines Buchs einzulassen. Umgekehrt sind Israeli viel offener für eine Diskussion - und im Gegensatz zu Diaspora-Zionisten tun sie nicht so, als sei die israelische Gesellschaft geschlossen und einig im Blick auf dieses kontroverse Problem.

Der politische Zionismus entstand aus dem Geiste nationalistischer Ideologien des 19.Jahrhunderts und nachdem Theodor Herzl 1896 «Der Judenstaat» als Reaktion auf den wachsenden europäischen Antisemitismus geschrieben hatte. Wie war die anfängliche jüdische Haltung dazu?

Die ursprüngliche Reaktion judaistischer Gelehrter war fast völlig feindselig. Lassen Sie mich den israelischen Historiker Yosef Salmon zitieren, der die Gründe und die Heftigkeit dieser Feindseligkeit kurz und bündig erklärt: «Es war die zionistische Bedrohung, welche die schwerwiegendste Gefahr darstellte, weil sie danach strebte, die traditionelle Gemeinde ihres eigentlichen Geburtsrechtes zu berauben, sowohl in der Diaspora als auch im Lande Israel, dem Gegenstand ihrer messianischen Erwartungen. Der Zionismus griff alle Aspekte des traditionellen Judentums an: durch sein Vorhaben einer modernen, nationalen, jüdischen Identität; durch die Unterordnung der traditionellen Gesellschaft unter neue Lebensstile; und durch seine Haltung zu den religiösen Auffassungen von Diaspora und Erlösung. Die zionistische Bedrohung erreichte jede jüdische Gemeinde. Sie war unerbittlich und umfassend und stiess deswegen auf entschiedenen Widerstand.»

Der Zionismus provozierte auch Ablehnung unter den emanzipierten Juden in West- und Mitteleuropa, die im Zionismus eine offenkundige Bedrohung ihrer Integration in die sie umgebenden Gesellschaften sahen, als Deutsche mosaischen Glaubens oder les Français israélites. Deswegen protestierten viele deutsche Juden gegen die Pläne der Zionisten, ihren Gründungskongress in München abzuhalten, und der Kongress wurde zuletzt in das gastfreundlichere, neutrale Basel verlegt.

Zionismus oder gemeinsamer Staat?

Was ist der Unterschied zwischen jüdischem und christlichem Zionismus?

Einige Christen hatten mit der Idee einer Wiederherstellung jüdischer Souveränität im Heiligen Land gespielt. Diese Ideen wurden oft von Antisemiten unterstützt, die es gern gesehen hätten, dass Juden ihre Länder Richtung Palästina verließen. Heute gibt es eine Aufwallung eines neuen radikalen Zionismus unter jung entstandenen evangelikalen christlichen Gemeinden in vielen Ländern. Die Christian Coalition of America steht für die totale israelische Besitznahme des ganzen Heiligen Landes, und sie zählt mehr Mitglieder als die gesamte Anzahl der Juden weltweit, die übrigens ziemlich gespalten sind in ihrer Meinung zu Zionismus und Israxl. Umgekehrt sind diese christlichen Zionisten vereint in ihrer glühenden Unterstützung für die radikalen zionistischen Aktivisten.

Kulturelle Zionisten wie Martin Buber und Judah Magnes traten auch nach der Shoah für einen gemeinsamen jüdisch-arabischen Staat in Palästina ein. Sie waren gegen einen «jüdischen Staat», weil sie fürchteten, dass die Trennung von Juden und Arabern zur Vertreibung der einheimischen palästinensischen Araber führen würde und zur Entstehung eines jüdischen «Sparta», welches jüdische Lebensform und Ethik gefährden würde. Ihre Prophezeiung scheint sich leider teilweise erfüllt zu haben. Warum hat ihre Idee gegen Herzls verloren? Ist sie noch am Leben?

Diese deutschen Juden waren echte Idealisten, denen jüdische Werte aufrichtig am Herzen lagen. Ben Gurion war ein Pragmatiker, der die jüdische Tradition verachtet hat und dem nur daran lag, so viel Land wie möglich zu besiedeln. Er organisierte gewaltige politische Unterstützung in den USA und anderen Ländern und gewann ziemlich einfach gegen die noblen Idealisten. Außerdem spielte Ben Gurion sehr klug mit den Schuldgefühlen vieler Europäer und lenkte sie dahin, «die zionistische Lösung für das jüdische Problem» zu unterstützen.

Dennoch, die Idee eines gemeinsamen Staates für Juden und Araber ist noch lebendig und gewinnt langsam an Stärke. Laut Meron Benvenisti, dem früheren stellvertretenden Bürgermeister von Jerusalem, ist Israel seit 1967 ein beiden Bevölkerungsgruppen gemeinsamer Staat, in dem freilich eine Gruppe - die palästinensischen Araber - von den politischen Rechten weitgehend ausgeschlossen ist. Was seiner Meinung nach getan werden muss, ist, ihnen diese Rechte zu geben und zu der sehr viel friedlicheren Koexistenz zurückzukehren, wie sie vor 1948 bestanden hat. Seine Idee ist bekannt; sie wird in Israxl offen diskutiert und von einer Minderheit auch unterstützt. Für viele ist Israxl ein Anachronismus geworden, ein Überbleibsel des ausschliessenden Nationalismus aus dem 19.Jahrhundert. Aber letztlich sind es die Menschen in Israxl und Palästina, die sich werden entscheiden müssen, wie sie ihre Beziehung gestalten. Wir, die ausserhalb dieser Gegend leben, können Ideen entwickeln und vorschlagen, aber nicht aufdrängen.

Stärke statt Glaube

Was ist die zentrale Bedeutung von «Exil» gemäß der Thora?

Gemäß der jüdischen Tradition sind Juden im Exil, um ihre Sünden abzubüssen, ihr bestes moralisches Verhalten zu zeigen (in den Worten der Thora: «ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation zu sein») und dafür zu beten, dass Gott sie ins Land Israxl zurückführt. Die zionistische Haltung ist radikal anders: Sie verlässt sich auf «jüdische Stärke», um in das Land zurückzukehren. Wie Salmon richtig bemerkte, negiert der Zionismus das traditionelle Judentum und ist bestrebt, einen «neuen Hebräer» zu erschaffen, mit Werten, die denen des Diaspora- Juden genau entgegengesetzt sind.

Der politische Zionismus möchte mit dem transnationalen Konzept der Juden aufräumen und sie «normalisieren», damit sie eine Nation werden wie die Finnen oder die Polen. Sowohl das Hebräische als auch das Arabische verwenden das Wort «umma» als Bezeichnung für die Juden und die Muslime, wobei jeweils die Gemeinschaft von Gläubigen gemeint ist und nicht Nationen, die innerhalb politischer Grenzen gebunden sind. Der Zionismus und Israxl wurden dann für viele Juden die Basis ihrer jüdischen Identität - etwas, wovor Rabbiner zu Herzls Zeit grosse Angst gehabt haben. Zionisten haben eine schwerwiegende Spaltung unter den Juden verursacht, deren Konsequenzen bis jetzt schwer vorhersagbar sind.

Was ist der Unterschied zwischen säkularem und religiösem jüdischem Antizionismus?

Religiöse Juden, die dem Zionismus ablehnend gegenüberstehen, möchten das Judentum und sein aussergewöhnliches Wertesystem bewahren. Ziemlich viele weniger religiöse Juden sind gegen den Zionismus, weil ihnen an jüdischen Werten etwas liegt, die letztlich auch aus dem Judentum stammen. Während die beiden jüdischen Gruppen sozial getrennt leben, stimmen ihre Ansichten weitgehend überein.

Warum werden antizionistische Juden häufig als «selbsthassende Verräter» gebrandmarkt und dadurch zum Schweigen gebracht?

Politische Zionisten haben sich immer als die Vorhut des jüdischen Volkes geriert, was sie ziemlich intolerant gegenüber jeglicher Opposition zum Zionismus gemacht hat. Diese Intoleranz schlug bereits 1924 in bewaffnete Gewalt um, als Jacob De Haan, ein antizionistischer Jurist in Jerusalem, die Reise einer Delegation von Rabbinern nach London organisierte, um gegen das zu protestieren, was sie als den «zionistischen Angriff» empfunden haben. De Haan wurde von Mitgliedern der Haganah, der zionistischen halbmilitärischen Truppe, des Vorläufers der israelischen Armee, erschossen.

Im Internet gibt es eine Liste mit Tausenden von «selbsthassenden, Israxl bedrohenden Juden»: http://masada2000.org/shit-list.html. Die Liste, die anscheinend von einer Gruppe von Faschisten verfasst wurde, wirft orthodoxe Rabbiner zusammen mit weniger religiösen progressiven Juden, was noch einmal beweist, dass die Ursprünge der Opposition zum Zionismus im Wesentlichen dieselben sind: eine Verpflichtung, jüdische Werte hochzuhalten.

Religiöse antizionistische Juden wie die Neturei Karta scheinen am radikalsten und am leichtesten angreifbar, weil in ihren öffentlichen Erklärungen die Behauptung, der Zionismus verkörpere das Judentum, als Lüge bezeichnet wird. Sie nennen Israxl einen «zionistischen Staat», nicht einen «jüdischen Staat». Was ist die Neturei Karta, und was ist ihr Standpunkt zu einem gerechten Frieden in Israxl/Palästina?

Die Neturei Karta wurde in den 1930er Jahren in Jerusalem gegründet und bedeutet «die Wächter der Stadt». Die Organisation beabsichtigt, die zionistische Struktur des Staates aufzugeben und die ganze politische Kontrolle den palästinensischen Arabern zu übergeben. Was die Bezeichnungen «jüdischer Staat» und «hebräischer Staat» betrifft, muss man kein Mitglied der Neturei Karta sein, um sie für falsch und gefährlich zu halten. Sie sind irreführend, weil sogar Herzl nur einen «Judenstaat» ins Auge gefasst hat, keinen «jüdischen Staat». Sie sind gefährlich, weil sie die Verwechslung von Religion und Politik fortbestehen lassen und alle Juden und das Judentum mit Israxl und seinem Verhalten assoziieren. Das wiederum verursacht antijüdische Gewalt. Meiner Meinung nach sollte kein Journalist diese Begriffe benutzen, außer er oder sie möchte solch eine Gewalt schüren.

Sabine Matthes lebt als Journalistin und Fotografin in München und hat sich in zahlreichen Publikationen mit Israxl und jüdischem Denken befasst."