Heimkehr des Haifischmenschen: Zur Rückgabe des afrikanischen Kulturerbes
Erschienen am in Kunst
Gesellschaft | F. Sarr/B. Savoy: The Restitution of African Cultural Heritage
Felwine Sarr und Bénédicte Savoy fordern mit ihrem aufsehenerregenden Report die Rückgabe des afrikanischen Kulturerbes und entfachen heiße Debatten. Von SABINE MATTHES
Ein Wegbereiter der heutigen Debatte um die Rückführung kolonialer Raubkunst war Léopold Sédar Senghor – erster Präsident (1960-1980) des unabhängigen Senegals, Dichter, Kunstliebhaber und -sammler europäischer und afrikanischer Werke. Als er 1966 in Dakar die Ausstellung ›L’Art Négre‹ eröffnete, begrüßte er die Leihgaben der europäischen Museen als »Heimkehrer«, als »den feierlichen Besuch unserer Ahnen und unserer Götter«.
Sie seien von den Europäern geraubt worden, aber um ihre Botschaft zu verstehen, müssten sie erst wieder in »das lebendige Museum der Seele« zurückkehren. Denn man habe den Afrikanern zwar ihre Kunst geraubt, aber nicht ihre Seele. In Senghors Vision einer afrikanischen Emanzipation, der Négritude, stand die Kunst im Zentrum. Als die »einzige Schrift«, die Schwarzafrika hinterlassen hatte, verkörpert sie das kulturelle Gedächtnis, Geschichte, Identität, Liturgie und Gemeinschaft. Afrikanische Gaben, die Senghor zum gemeinsamen Bankett der Zivilisationen beitragen wollte.
Für Bénédicte Savoy sind die Artefakte weit mehr als nur Form und Material, es sind »Subjekte, nicht Objekte«. Energie, Reserven von Energien.
In diesem Sinne appellierte im Juni 1978 der Senegalese Amadou-Mahtar M’Bow, erster UNESCO-Generaldirektor (1974-1987) afrikanischer Herkunft, an die Mitgliedsstaaten, sich für die Rückführung von Kulturerbe an die Ursprungsländer einzusetzen. Die Restitution würde den barbarischen Zeiten ein Ende setzen und erlaube den Menschen einen Teil ihrer Erinnerung und Identität wiederzuerlangen, um in einen Dialog gegenseitigen Respekts zu treten. Der Aufruf wurde breit rezipiert. Frankreich berief eine Expertenkommission, die im Sommer 1982 die Rückgabe empfahl, als »Akt der Solidarität und der Fairness». Ebenso sprach sich in Bonn Hildegard Hamm-Brücher für »Großzügigkeit bei der Rückgabe von Kulturgütern« aus. Es folgten dieselben Einwände und Bedenken wie heute – und keine Rückgaben.
Am 28. November 2017 nahm Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen neuen Anlauf. An der Universität von Ouagadougou in Burkina Faso hielt er eine flammende Rede: »Das afrikanische Erbe muss in Paris gewürdigt werden, aber auch in Dakar, in Lagos, in Cotonou. Ich möchte, dass in den nächsten fünf Jahren die Voraussetzungen für temporäre und dauerhafte Restitutionen des afrikanischen Erbes an Afrika geschaffen werden.« Afrikanisches Kulturerbe dürfe »kein Gefangener europäischer Museen sein.« Im März 2018 beauftragte er die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und den senegalesischen Wirtschaftswissenschaftler und Schriftsteller Felwine Sarr, eine Studie mit Empfehlungen zum Umgang mit kolonialer Raubkunst in französischen Museen zu erstellen. Beide waren von Macrons Rede elektrisiert.
Im November 2018 überreichten sie ihren 252-seitigen Report ›The Restitution of African Cultural Heritage. Toward a New Relational Ethics‹ an Macron. Ein beklemmender, hochexplosiver Befund, der heiße Debatten entfacht und weitreichende Konsequenzen für die internationale Museumswelt haben könnte. Danach befinden sich heute ca. 90 Prozent des afrikanischen Kulturerbes in den großen Museen außerhalb Afrikas. Allein in französischen Nationalsammlungen befänden sich 90.000 Objekte aus Sub-Sahara Afrika, die aus der Kolonialzeit stammen und zurückgegeben werden müssten, 70.000 davon im Quai Branly Museum. »Das ist die DNA dieser Museen: 60 bis 90 Prozent stammen aus kolonialem Kontext« (Savoy), Alle ethnologischen Museen Europas hätten eine ähnliche Sammlungsgeschichte.
Die Artefakte – phantastische Skulpturen, Masken, rituelle Objekte, die einst Picasso, Kubisten und Surrealisten den Weg in die Moderne wiesen – sollen an die afrikanischen Staaten restituiert und dort »resozialisiert« (Sarr) werden. Dies sei auch eine Frage des Respekts und des Vertrauens, »das Ende der Arroganz«, so Savoy: »Nämlich zu sagen: Wir sind am Beginn des 21. Jahrhunderts, die Geschichte liegt hinter uns, wir haben sehr davon profitiert, wir müssen zusehen, dass es nicht in diesem ungleichmäßigen Verhältnis weitergeht.« Macrons Rede von einer »temporären oder definitiven Restitution« sei ein »Oxymoron, ein Widerspruch in sich, weil Restitution kann nicht temporär sein.« Das »Monopol der Zirkulation« soll den Herkunftsländern übertragen werden, fordert Sarr.
Den Einwand, die Frage nach der Sicherheit des Weltkulturerbes hält er für eine Ausrede, »eine Unterstellung der Unfähigkeit der Afrikaner, sie könnten mit ihrer eigenen Kunst nicht umgehen. Afrikaner sollten als Erwachsene behandelt werden, nicht als unfähige Kinder.« Außerdem, argumentiert er, »jemand der sich etwas unrechtmäßig angeeignet hat, kann sich nicht anmaßen, über dessen Fortleben Kontrolle zu üben.« Unter den ca. 50 afrikanischen Ländern seien nur fünf Diktaturen, und da, wo Krieg herrsche habe man eh andere Probleme. Den Herkunftsländern allein obliege die Verantwortung, ob sie die Objekte dann den Erben, eigenen Museen, Kunsthändlern, Priestern oder auch der rituellen Zerstörung überließen. Welch Schock, welch Provokation für jeden europäischen Museumskurator – der seine exotischen Schätze lieben, schützen und bewahren will!
Bis jetzt hatten sich französische Museen bei Restitutionsforderungen stets auf das Prinzip der Unveräußerlichkeit berufen. Vor Kurzem noch schmetterte Frankreich die Rückgabeforderung des Staatspräsidenten von Benin, Patrice Talon, ab. Es geht um die Schätze des einstigen Königreichs Dahomey, im heutigen Südwesten Benins, die 1892 auf einer französischen Militärexpedition gewaltsam in Besitz genommen wurden.
Die Skulptur des Haifischmenschen – eine der spektakulärsten des Pariser Quai Branly Museums – stellt den letzten Herrscher König Béhanzin dar. Sie verkörpert den Widerstand seines Stammes, womöglich ganz Afrikas, gegen die europäischen Invasoren. Um sich von ihr Kraft und Schutz zu erbitten, im ungleichen Kampf gegen die Kolonialarmee Frankreichs, hatten sich 12.000 Kriegerinnen und Krieger vor ihr niedergekniet. Vergeblich – der französische General Alfred Dodds eroberte Dahomey, plünderte den Königspalast, brannte ihn nieder und zog mit seinem Kriegsschatz, inklusive des Haifischmenschen, ab. Der Sarr/Savoy Report empfiehlt, in der ersten von drei Phasen genau solche höchst symbolischen Stücke, wertvolle Statuen, Palast-Türen, Throne, zurückzugeben, deren Restitution bereits gefordert wurde.
Nachdem Macron den Bericht erhielt, erklärte er, »… unverzüglich die 26 von der Regierung des Benin geforderten Werke zurückzugeben …». Was er auch tat. Ein Dammbruch!? Sogar Quai Branly-Direktor Stéphane Martin stimmte der Repatriierung in ein Museum in Benin zu. Er hält den Report jedoch für einseitig und warnt davor, die »Museen zu Geiseln der schmerzlichen Kolonialgeschichte« zu machen. Seitdem aber ist das Prinzip der Unveräußerlichkeit infrage gestellt. Londons Kriegsmuseum will die geraubte Locke von Kaiser Tewodros II. in seine Heimat Äthiopien überführen – seine auf 15 Kamelen abtransportierten kaiserlichen Schätze aber behalten.
Für den deutschen Kunsthistoriker Horst Bredekamp entspringen die, mit vielen Gebrauchsgegenständen, umfangreichsten Sammlungen deutscher ethnologischer Museen keinem kolonialen Geist, sondern einem aufklärerischen in der Tradition von Forschern wie Georg Forster und den Humboldt Brüdern. Sicher wird manch afrikanischer Holzlöffel – glamourös inszeniert, wie der Auftritt einer Diva – von seinem Sammler inniger verehrt, als vom Hersteller. Aber der größte Teil der Millionen von Sammlungsstücken europäischer Museen schlummert in Magazinen, nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz wird ausgestellt. In Deutschland seien wahrscheinlich eine Million Objekte, 500.000 davon im Berliner ethnologischen Museum, schätzt Bénédicte Savoy. Sie kennt kein Pardon. Auch die Objekte des Alltags müssen zurück. Denn wie bei uns das Bauhaus, sollen junge Kreative in Afrika von den Designerqualitäten der Löffel, Schalen und Textilien ihrer Vorfahren inspiriert werden. Die deutsche Kulturpolitik steht unter Zugzwang.
Vorreiter ist das Stuttgarter Linden-Museum. 26.000 Objekte befänden sich dort, sagt Savoy, »zwischen 1900-1920 kamen über 20.000 Objekte davon, also aus direkten kolonialen deutschen Gebieten wie Namibia, Kamerun und Bismarck-Archipel. 9.000 Objekte davon vom Militär, dann aus Mission, Wirtschaft und Forschungsreisen.« Die Neueinrichtung der Afrika-Abteilung fiel mit einer bedeutsamen Restitution Ende Februar 2019 zusammen. Bibel und Peitsche des legendären Nama-Führers Hendrik Witbooi, die 1902 als Schenkung an das Museum kam, wurden an die namibische Regierung zurückgegeben. Die Bibel – das »Neue Testament in der Sprache der Nama«, 1866 in Berlin gedruckt – mit handschriftlichen Anmerkungen von Hendrik Witbooi, wurde 1893 bei einem blutigen Angriff deutscher Kolonialtruppen erbeutet. Witbooi wird heute als Nationalheld Namibias verehrt. Für die Museumsdirektorin Inés de Castro geschieht die Rückgabe aus ethischer Verantwortung. Sie müsse einhergehen mit einer größeren Debatte, um »die Aufarbeitung der Kolonialzeit auch in die Gesellschaft und in die Schulen zu bringen.«
Der Elefant im Raum ist aber das Recht. Die traditionellen Anführer der Nama sehen sich und den Witbooi-Clan als rechtmäßige Besitzer und protestieren gegen die Rückgabe an die namibische Regierung. Es sei falsch, »anzunehmen, dass die Namibier kulturell homogen seien«. Der Staat habe »nicht das Recht über Symbole und historische Objekte aus dem Erbe der Nama-Völker zu verfügen«. Wer sind also heute die rechtmäßigen Eigentümer: Die Nachfahren der Bestohlenen, ethnische Gruppen oder die Staaten, auf deren Gebiet der Raub stattfand? Simon Njami, Herausgeber des afrikanischen Kunstmagazins ›Revue Noire‹ in Paris und Kurator der 2016 Dakar Biennale, meint, es sei schwer zu entscheiden, wohin ältere Artefakte gehören. Denn die afrikanischen Grenzen seien von den Europäern bei der Berlin-Konferenz 1884-85 gezogen worden, ohne die damals existierenden Grenzlinien zu berücksichtigen.
Wem gehören also Bibel, Peitsche oder der umstrittene Schiffsschnabel der Bele Bele aus Kamerun, im Münchner Museum ›Fünf Kontinente‹? Wo handelte es sich eindeutig um »Unrechtskontext«? Wann lagen lokale Rechts- und Gerechtigkeitsvorstellungen von Tausch, Schenken und Handeln dem ganz legalen Erwerb zugrunde? Wann kollidierten diese mit der übergestülpten kolonialen Rechtspraxis? Wann wurde überrumpelt, genötigt, betrogen? Wie der bekannte »Meilenschwindel« beim Landkauf, als der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz bei Vertragsabschluss das Land mit der längeren deutschen Meile bemaß, während der Nama-Kaptein von der englischen Meile ausging.
Auf völkerrechtlicher Ebene befand die UNO 2007, die Staaten sollten Mechanismen schaffen, um Wiedergutmachung zu leisten für das »kulturelle, geistige, religiöse und spirituelle Eigentum«, das indigenen Völkern entzogen wurde. Als »soft law« ist dies nicht rechtsverpflichtend. Nach derzeit geltender Rechtslage bestehen in den allermeisten Fällen keine Ansprüche auf Rückgabe kolonialer Kulturgüter. Der Sarr/Savoy Report fordert deswegen, man müsse sich Gedanken über neue »juristische Konstruktionen« machen. Soll es eine Washingtoner Erklärung für die Kolonialzeit geben, nach dem Vorbild der Washingtoner Prinzipien für NS-Raubkunst? 1998 hatten sich 44 Staaten damit verpflichtet, NS-Raubkunst in ihren Museen aufzuspüren und an die Nachfahren jüdischer Besitzer zurückzugeben. Aber auch diese Grundsätze sind nur moralisch verpflichtend, nicht rechtlich bindend. Was bei der Rückgabe eines Ernst Ludwig Kirchner Gemäldes aus dem Berliner Brücke-Museum zu hitzigen Debatten führte. Der Koalitionsvertrag nennt zwar die Kolonialzeit in einem Zug mit NS-Regime und DDR. Aber gegenüber den Reparationsforderungen der Herero für den Kolonialgenozid an ihren Vorfahren gibt sich die Bundesregierung hart. Auch aus Tansania, dem früheren »Deutsch-Ostafrika«, kommen Entschädigungsforderungen – im »Maji-Maji-Krieg« gegen die deutsche Kolonialherrschaft (1905-1907) sollen 100.000 bis 250.000 Menschen gestorben sein.
Am 13. März 2019 gab man in Deutschland, nach mehrmonatiger Beratung »Erste Eckpunkte zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten« bekannt. In grauem Beamtendeutsch werden die Museen in dem 8-Seiten-Papier zu »größtmöglicher Transparenz« aufgefordert: Die Bedeutung der Inventarisierung, Digitalisierung und Provenienzforschung wird betont, um weltweite Teilhabe und den Diskurs mit den Herkunftsgesellschaften zu ermöglichen. Es sind vage Anweisungen für eine generelle Bereitschaft zu Rückführungen »von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten, deren Aneignung in rechtlich und/oder ethisch heute nicht mehr vertretbarer Weise erfolgte.«
Bizarr, zumindest aus der Sicht eines Herero, klingt es in der Präambel: »Wir … verstehen die Aufarbeitung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten als einen klar von der Aufarbeitung NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts zu trennenden Sachverhalt. … Der Holocaust ist präzedenzlos und unvergleichbar.« Warum diese Hierarchisierung der Völkermorde? Sind die ermordeten Vorfahren und das Kulturgut des Herero weniger wert? Oder will man sich damit vor einem Leerfegen deutscher Museen schützen?
Bizarr, zumindest aus der Sicht eines Herero, klingt es in der Präambel: »Wir … verstehen die Aufarbeitung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten als einen klar von der Aufarbeitung NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts zu trennenden Sachverhalt. … Der Holocaust ist präzedenzlos und unvergleichbar.« Warum diese Hierarchisierung der Völkermorde? Sind die ermordeten Vorfahren und das Kulturgut des Herero weniger wert? Oder will man sich damit vor einem Leerfegen deutscher Museen schützen?
Für Bénédicte Savoy sind die Artefakte weit mehr als nur Form und Material, es sind »Subjekte, nicht Objekte«. Energie, Reserven von Energien. Sie vergleicht es mit dem gestohlenen Stück im Film ›Black Panther‹, das aus der energetischen Quelle Vibranium besteht, und dazu bestimmt ist, die Zukunft Afrikas und der Welt zu retten. Auch für Felwine Sarr geht es um diese Energie der Objekte – die kulturellen Ressourcen verlorener Identität. Sein Manifest ›Afrotopia‹ war bereits geschrieben, aber erst durch die gemeinsame Arbeit über Restitution wurde ihm »bewusst, wie groß der Verlust von Kultur ist. Die Objekte haben eine große Energie, die freigesetzt werden kann.«
Die Rückgabe vergleicht er mit der Heilung eines »Phantomschmerzes«, ein amputiertes Glied wird wieder angefügt und stabilisiert den ganzen Organismus. Nach den existentiellen Schocks der Entwurzelung, durch Jahrhunderte langen Sklavenhandel und Kolonisierung, müsse der afrikanische Mensch »sein eigenes Epizentrum wiederherstellen« und seine »Wunden heilen, die man seinem Selbstbewusstsein und seiner Psyche zugefügt hat». Achille Mbembe, Historiker und Philosoph aus Kamerun, sieht Musik, Religion und Schrift als Mittel der Heilung. Für Nelson Mandela war es die traditionelle Sozialethik der Xhosa Ubuntu-Philosophie, um das geknechtete Südafrika zu versöhnen.
Ganz im Sinne seines früheren Landesvaters Léopold Senghor ist auch für Felwine Sarr diese Selbstheilung existenziell notwendige Voraussetzung. Damit Afrika, »als Erstgeborener der Menschheit«, seiner Verantwortung nachkommen kann, und dem zügel- und verantwortungslosen westlichen Wachstumsmodell, – »wo nur das zählt, was zählbar ist, wo nur das Haben zählt, nicht das Sein«, – kraftvoll und selbstbewusst seine eigene, verantwortungsvollere, spirituelle, humanere, »poetische Zivilisation« entgegensetzen kann. Für Sarr ist es der Bereich der Kultur, wo trotz der brutalen Verwerfungen »die Ausstrahlungskraft Afrikas vollkommen intakt geblieben ist«. In seinem afrikanischen Zivilisationskonzept geht es auch darum, die »eigene Anwesenheit in der Welt bejahen, … und der Welt die eigene Lebenskraft schenken.« Dürfen wir die Artefakte also doch behalten? Als afrofuturistische Heilsbotschafter eines Zurück in die Zukunft? Oder haben wir uns ihrer unwürdig erwiesen, weil wir sie in Glaskäfige und Särge sperrten und zum Verstummen brachten, anstatt Feste mit ihnen zu feiern? Weil wir sie ihrer magischen Welt entrissen, dem Sinn und Zweck ihres Daseins beraubten, um sie verwirrt und entblößt, wie King Kong, der Schaulust der Zivilisation preiszugeben? Weil wir diese phantastischen, kraftvollen Wesen zu Eunuchen machten? Würden sie womöglich, durch uns geraubt, geschändet, entehrt, wie jesidische Frauen vom IS, bei ihrer Rückkehr verstoßen? Oder würden sie unsere wohltemperierte Fürsorge vermissen?
Achille Mbembe gibt eine überzeugende Antwort. Afrika und Europa müssten sich jeweils selbst dekolonisieren. Europa könne nicht die afrikanischen Artefakte in den Herzen seiner Städte einschließen, aber Afrikanern die Einreise und den Besuch dieser Objekte verweigern: »Wir müssen an einer Welt arbeiten, in der sich Menschen und Dinge frei bewegen können.«
| SABINE MATTHES
| Titelbild: SOSSA DEDE, Man Shark Homme-requin Dahomey, CC BY-SA 3.0
| Abb 01: Photograph by Rama, Wikimedia Commons, Cc-by-sa-2.0-fr, Felwine Sarr IMG 2388, CC BY-SA 2.0 FR
| Abb: 02: Amrei-Marie, Bénédicte Savoy, CC BY-SA 4.0
| Abb: 03: Sossa Dede, Homme-requin Dahomey, CC BY-SA 3.0
| Abb: 04: Origamiemensch, Schiffsschnabel (Kamerun), CC BY-SA 3.0
| Titelbild: SOSSA DEDE, Man Shark Homme-requin Dahomey, CC BY-SA 3.0
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