Leserbrief zu Stefan Mühleisen: „Bedingt begeistert. Der U-Bahnhof Giselastraße wird zum Testfall für das neue Designkonzept, bei dem der Beton-Look eine wichtige Rolle spielt.“, SZ vom 03.03.2021, Seite R9
Sehr geehrte Redaktion Leserbriefe,
Hat man sich beim neuen Designkonzept "Beton-Look“ - für die Sanierung von 40 (!) Münchner U-Bahnhöfen - am bilderstürmerischen Radikalismus der Protestanten und Islamisten orientiert? Waren die Ideen der brutalistischen Architektur nicht längst auf dem Friedhof der größten Bausünden entsorgt? Prince Charles attestierte dem Brutalismus, er habe mehr ästhetischen Schaden angerichtet, als die Bomber im Zweiten Weltkrieg, und wollte ihn am liebsten komplett von der britischen Insel verbannen. Was also haben wir verbrochen, dass die MVG uns Kunden so hart bestrafen will? Klar, es herrscht Corona, prinzipiell sind wir alle toxisch - aber muss man uns deswegen in einen Beton-Sarkophag einhüllen, wie die Atomruine in Tschernobyl? Ingo Maurer, der die wunderschönen U-Bahnhöfe Westfriedhof und Münchner Freiheit gestaltet hat, würde sich im Grabe umdrehen. Sein Licht- und Farbkonzept war von Poesie, Humor, Verspieltheit und futuristischer Tollkühnheit beflügelt. Dort kann man tatsächlich „fast kathedrale“ Erhabenheit spüren. Die geplante Beton-Grandezza ist aber, buchstäblich, das nackte Gegenteil davon! Wenn der MVG das Geld zu sinnvoller Sanierung fehlt, wieso vermietet sie nicht erst all ihre Flächen für Werbezwecke? Dann könnten wir Kunden aus den Plakatschichten der Werbetafeln, beim Warten auf die U-Bahn, täglich neue, überraschende, lustige, bunte Decollagen rupfen - und wären, statt Smartphone-Streicheln, kreativ beschäftigt. Mimmo-Rotella- statt Beton-Look!
Mit freundlichen Grüßen,
Sabine Matthes
Glötzleweg 43
81477 München